Torsten erhielt auf seinen Kontakt-Beitrag folgende Zuschrift:


Hallo Torsten,

hier möchte ich Dir meine Erfahrung schildern, die ich mit Kontaktanzeigen gemacht habe:
 

Nachdem mich meine erste große Liebe nach fünf Jahren verlassen hatte, brach für mich eine Welt zusammen. Ich wußte nicht, was ich tun sollte. Ich fühlte mich nur noch leer. Ein Freund riet mir folgendes: "Mensch, Du bist doch noch so jung (bin 25 Jahre) und siehst nicht schlecht aus. Genieße das Leben, such dir One-Night-Stands usw."

Ich befolgte den Rat. Aber schon nach kurzer Zeit stellte ich fest, daß ich nicht der Typ für so etwas bin und mich eigentlich nach einer neuen festen Bindung sehne. Ich dachte mir also: "Gibst Du halt mal eine Kontaktanzeige auf. Mal sehen, was wird!"

Immerhin hat sich auch Eine gemeldet. (Als Mann hat man es wirklich nicht leicht, denn Frauen bekommen weit mehr Resonanz auf ihre Anzeigen.) Ihr Brief hat mich schon neugierig gemacht. Ich rief sie an. Wir telefonierten und haben uns dann verabredet. Es war alles nett gewesen, aber ich wußte nicht, wie es weitergehen soll. Ich glaubte nicht an die Liebe auf den ersten Blick und dachte mir, daß man sich ja erst einmal aneinander gewöhnen muß.

Nun ja, das Ganze mit Monika (ich nenn sie mal so) ging ungefähr drei Wochen. Ich merkte, daß ich mit dieser Beziehung auch nicht glücklich bin. Es war nicht das, nach dem ich suchte.

Ich las also weitere Anzeigen. Auf einmal fand ich eine, die es mir wahnsinnig angetan hatte. Erst zögerte ich mit meiner Antwort. Ich hatte die halbe Nacht überlegt, ob ich einen Brief schreibe, und dann, wie ich den Brief schreibe. Die andere Hälfte der Nacht verbrachte ich dann mit dem Schreiben des Briefes. Denn ich wollte ihn sofort am nächsten Tag verschicken, damit er vielleicht im Umschlag ganz vorne oder besser gesagt oben drauf liegt - vor all den Anderen.

Es vergingen ungefähr eineinhalb Wochen. Ich telefonierte gerade mit Monika, als plötzlich im Hörer das Anklopfsignal ertönte (ISDN). Ich legte sie auf die Warteschleife, weil ich einen Anruf eines Bekannten erwartete.

Doch mein Bekannter war nicht dran, sondern die Frau, der ich den Brief geschrieben hatte. Also beendete ich schnell das Gespräch auf der ersten Leitung, damit ich mit Claudia (Name wieder geändert) in aller Ruhe sprechen konnte. Wir hatten uns am Telefon prima verstanden und es paßte irgendwie alles, was sie erzählte und was ich ihr erzählt habe. Zudem hatte sie eine wahnsinnig erotische Stimme. Es war bei mir zu diesem Zeitpunkt ein weit besseres Gefühl da als mit Monika. Wir verabredeten uns für den nächsten Tag in einem wunderschönen Restaurant, das ich kenne (romantische Musik, hervorragendes Ambiente, super Essen). Da sie kein Auto hatte, vereinbarten wir, daß ich sie abhole.

Ich war total nervös. Habe mir extra am nächsten Tag noch einen Friseurtermin geben lassen. Eine Bekannte mußte mir ein Hemd und eine Hose bügeln sowie gut zureden, denn war ich total nervös. Ich überlegte, ob ich Blumen mitbringen sollte oder doch lieber nicht. Mir gingen hunderttausend Dinge durch den Kopf. All das fehlte bei Monika. Es wurde also endlich Abend.

Ich fuhr zu ihr hin. Und oh Gott, wie peinlich, ich hab mich verfahren. Wir hatten uns für 20 Uhr verabredet und um 20:45 Uhr war ich endlich bei ihr. Zwischendurch rief ich sie mit dem Autotelefon ein paarmal an und sie mich. Ich bemerkte, daß sie etwas sauer wirkte. Verständlich. Aber dann hab ich es zum Glück doch noch in ihre Straße geschafft. Ich parkte und klingelte kurz bei ihr telefonisch durch (da sie ein Kind hatte, das nicht geweckt werden sollte und auch um dem Babysitter nicht wieder Streß zu bereiten). Da ich sie von der Haustür abholen wollte, lief ich ihr entgegen - doch erst einmal in die falsche Richtung. Also ging ich wieder zurück. Dann sah ich, wie dort eine Frau gerade um die Ecke bog. Ich also hinterher gerannt, weil ich mir dachte: "DAS MUß SIE SEIN!"

In diesem Moment dreht sie sich herum. Wir sahen uns an, ich sagte "Hallo!" und gab ihr die Hand. In diesem Moment war ich schon hin und weg. Ich spürte, daß sie dasselbe empfunden hatte. Unsere Hände ließen einander nicht mehr los. Vor mir stand die tollste Frau, die ich jemals gesehen hatte. (Ich dankte Gott dafür und innerlich ihr, daß sie mich unter 19 Bewerbern ausgesucht hatte.)

Wir liefen anschließend zu meinem Auto. Als wir dort angekommen waren, hatte ich ihr die Tür geöffnet. Gleichzeitig öffnete ich die hintere Tür, da ich mich doch entschieden hatte, Blumen zu kaufen. Ich überreichte ihr den Strauß mit einer Entschuldigung für mein Zuspätkommen.

Als sie den Strauß sah, war sie hin und weg und meinte: "Oh wie schön, Blumen. Mann, ist das lange her, daß ich Blumen geschenkt bekommen habe."

Wir fuhren dann endlich in das Restaurant, wo seit nunmehr einer Stunde mein reservierter Tisch auf uns wartete. Der Kellner, bei dem ich reserviert hatte, war Klasse. Der beste Tisch. Wunderbar gedeckt, wunderbar gelegen. Es war alles so, wie man es sich hätte wünschen können - für ein Kennenlernessen. Nun saßen wir also da. Gesprächsthemen brauchten wir eigentlich keine, da ich weder von ihren Augen weggekommen bin, noch sie von meinen. Wir sprachen fast nur mit unseren Augen und sahen förmlich die Funken über den Tisch sprühen. Es war der Wahnsinn. Ich hätte sie am liebsten sofort in den Arm genommen und sie stundenlang geknuddelt. Es war der perfekte Abend bis auf, daß der Kellner später lästig wurde, denn er kam ab und an ziemlich ungelegen und dann ein kleiner freundlicher Hinweis. Er ließ das Rollo von der Gartenterasse herunter, um anzudeuten, daß sie bald zumachen wollten. Okay, es war ein Dienstag. Anschließend hatte ich sie heimgefahren, ihr einen Kuß auf die Wange gegeben und mich auf den nächsten Tag gefreut, denn wir hatten ein weiteres Date im Restaurant ausgemacht. Ich war im siebten Himmel.

Ich dachte nie, daß es doch so etwas gibt, wie Liebe auf den ersten Blick.

Am Mittwoch (die Stunden gingen kaum herum, denn ich war ständig nur im Gedanken bei Claudia) hab ich sie nach der Arbeit Zuhause und ihre kleine Tochter aus dem Kindergarten abgeholt, denn ich wollte letztere natürlich auch gerne kennenlernen. Wir sind dann anschließend in die Stadt zum Bummeln und in die Eisdiele gegangen. Es knisterte inzwischen immer mehr. Wir stellten fest, daß wir eigentlich beide an unserem ersten Abend den Anderen in den Arm nehmen und nicht mehr loslassen wollten.

Ich lebte anschließend von Mittwoch bis zum Samstag nur noch so in den Tag hinein. Ich konnte mich nicht mehr auf meine Arbeit konzentrieren. Ich wartete bis sie mich anrief oder ich sie endlich anrufen konnte.

Am Samstag - dann ENDLICH SIE wiedersehen. Wir waren im Zoo, Kino usw. mit der Kleinen. Den Abend hatten dann wieder für uns. Bis dahin hatte ich mich sehr zurückgehalten. (Ich wollte ja nichts übertreiben. Sie sollte nicht denken, daß ich nur eine schnelle Nummer will) Außer Hand-in-Hand-Laufen und Kuß auf die Wange war nicht. Aber am späten Samstagabend saßen wir auf ihrer Wohnzimmercouch und blickten uns wieder gegenseitig ganz tief in die Augen. Ich konnte mich jetzt nicht mehr zurückhalten, beugte mich zu ihr hin, schloß meine Augen und küßte sie auf den Mund. Es war ein Volltreffer. Ich fuhr aber trotzdem noch nachts nach Hause, weil ich nichts überstürzen und sie zu nichts zwingen wollte. Ich dachte dabei auch an ihre Tochter. Was ist, wenn sie morgens aufwacht und ein fremder Mann liegt bei ihrer Mutter im Bett?

Sonntagmorgen bin ich zum Frühstück wieder hingefahren: Ich hatte unterwegs noch Kuchen geholt, damit wir ein wunderbares Frühstück verbringen konnten. Abends war es dann soweit. Wir landeten nun doch in den Federn. Es war wirklich alles wie ein Traum. Ich hatte noch nie zuvor so eine tolle Frau kennengelernt. Bei ihr paßte alles. Sie war wunderhübsch, sie hatte Niveau und was ich bis dato charakterlich feststellen konnte, war auch perfekt. - Sie war meine Traumfrau!

Die darauffolgenden zwei Wochen war es zumindest so. Sie war begeistert von mir und meinen Ideen (z.B. Abendessen bei Kerzenlicht in meinem Wintergarten, Sektfrühstück im Bett, meine ausgefallenen Restaurants, meine Überraschungen). Irgendwann danach rief sie an und sagte mir in etwa folgendes: Ihr Ex ,der vor ca. sechs Monaten seine Koffer gepackt hatte, hat wieder bei ihr angerufen. Sie will hinfahren, da sie noch einiges erklärt haben wollte.

Als hätte man mir einen Stein an den Kopf geworfen. Ich war total fertig. Nun gut, ich hatte zu diesem Zeitpunkt schon meine Zweifel, aber als sie mir das sagte, daß sie hinfährt, beruhigte mich. Denn sie hätte ja auch hinfahren können, ohne mir etwas zu sagen. Ich schätzte diese Ehrlichkeit.

Als dieser Tag kam, rief sie mich abends an und erzählte mir, was passiert war. Ich dachte, daß ich mich umsonst aufgeregt und gebangt hatte. Doch merkte ich von dort an, daß unsere Beziehung seit diesem Moment anders verlief. Ich merkte, daß sie viel über ihren Ex nachdachte. Sie war offensichtlich nicht über ihn hinweg. Ich spürte, daß ihre Gefühle mir gegenüber von da an etwas nachließen. Da ich sie nicht verlieren wollte (ich war ja schon am ersten Abend bei "Ich liebe Dich" und sie erst bei "Ich hab Dich sehr lieb"), habe ich von fortan alles dran gesetzt, damit sie ihren Ex so schnell wie möglich vergißt.

Nach weiteren zwei Wochen dachte ich, es wäre geschafft. Sie laß mir seinen Abschiedsbrief vor und machte ironische Bemerkungen an manchen Textstellen.

Wenn ich sie besuchte, fiel mir die Digitalanzeige ihres Anrufbeantworters jedes Mal ins Auge. Anfangs hatte sie auch noch zwei Anrufe von ihrem Ex auf ihrem Anrufbeantworter gespeichert. Quasi die letzten Anrufe, bevor er seine Sachen damals gepackt hatte. Diese Anrufe waren an diesem Abend gelöscht.

Doch drei Tage später kam der Hammer. Wir wollten Fahrrad fahren. Wir saßen auf der Couch. Ich bemerkte wieder, daß sie etwas quält. Ich bohrte und bohrte, bis sie endlich mit der Sprache rausrückte.

Auf einmal bekam ich ungefähr folgendes zu hören:

Sie fühlt sich für eine neue Bindung wohl doch noch nicht soweit, unsere Bettgeschichte bringt ihr auch nicht mehr soviel usw.

Halt all die Sprüche, die kommen, wenn man nicht weiß, was man will. Außerdem fuhr sie mir ständig wieder ins Wort, wenn ich etwas dagegen setzen wollte. Zum Schluß bin ich im Streit nach Hause gefahren.

Ich habe ihr aber abends noch einen neunseitigen Brief geschrieben. Dort fragte ich sie, nach dem Widerspruch zwischen unseren Gefühle zueinander, was in den letzten Wochen passiert sei und dem, was sie gerade anstellt und mir an den Kopf wirft. Das könne nicht die Wahrheit sein. Ferner bespielte ich eine Kassette mit einigen passenden Liedern. Beides habe ich ihr noch in jener Nacht in den Briefkasten geworfen. Außerdem hatte ich ihr geschrieben, daß ich ein paar Tage wegfahren werde, um mal ein paar klare Gedanken zu bekommen und um ihr die Möglichkeit zu geben, in aller Ruhe darüber nachzudenken - ohne mich unüberlegt zurückzurufen.

Es verging eine Woche und ich dachte, ich melde mich mal wieder. Am besten mit einem riesigen Strauß, den ich ihr per Kurier auf die Arbeitsstelle schicken lasse. Gesagt, getan. Beim Blumenhändler alles klar gemacht, Strauß mit Karte und Einladung für einen nochmaligen Beginn von vorne.

Eine Stunde später rief sie mich an. Ich merkte an ihrer Stimmlage, daß da etwas im Busch ist. Nach einigen Minuten sagte sie mir dann, das sie wieder seit zwei Tagen mit ihrem Ex zusammen ist. Sie wollen es noch einmal versuchen. Sie erklärte es ungefähr so: "Es ist wie bei dem Lied ‚Gib mir mein Herz zurück‘ von H. Grönemeyer. Er gab ihr ihr Herz nie zurück oder zerbrach es. Ein Fünkchen lodert da wohl noch immer. Es gibt so vieles, was sie nicht vergessen kann." Wir telefonierten ungefähr eine halbe Stunde. Dann konnte ich nicht mehr.

Ich bekam noch einmal einen Brief von ihr. Es war in meinen Augen und in den Augen meiner langjährigen Bekannten (die vom Bügeln), der ich ihn zum Lesen gab, weder ein Abschiedsbrief, daß Schluß ist, noch ein Brief, daß nicht Schluß ist.

Sie weiß wirklich nicht, was sie will. Ich habe durch meinen Job (Zwangsvollstreckung) eine sehr gute Menschenkenntnis und kann IHN, obwohl ich ihn nicht persönlich kenne, aber das, was er getan hat und welche Probleme er hat, so gut einschätzen, daß er früher oder später wieder seine Sachen packt und weg geht. Sie schätzt es ja auch so ein. Denn sie sagte mir, daß sie immer mit der Angst leben müsse, nach Hause zu kommen und er ist weg. Liebe macht blind, denn sonst hätte ich sie wohl besser einschätzen können und mir nicht die Finger verbrannt. Das Dumme ist nur, daß ich von dieser Frau nicht wegkomme. Ich habe jetzt dasselbe Problem wie sie mit ihrem Ex. Sie hat mir weder mein Herz zurückgegeben, noch hat sie es zerbrochen, so daß ich einen Schlußstrich drunter ziehen könnte. Würde sie morgen oder später auf der Matte stehen - ich würde sie umarmen und nicht mehr loslassen.

Ich weiß, jeder rät mir davon ab, aber ich hoffe trotzdem und habe ihr das auch noch einmal geschrieben, daß sie wieder zu mir kommt, denn ich werde auf sie warten. Sie ist für mich die große Liebe. Ich bin mir dabei so sicher, daß ich sie sogar fragen würde, ob sie mich heiratet. Bei meiner fünfjährigen Beziehung merkte ich das erst nach drei Jahren. Aber wahrscheinlich tut man für die Frauen, die man liebt, zu viel. Ich habe sie in den vier Wochen auf Händen getragen, ihr jeden Wunsch von den Augen abgelesen, ich hätte ihr das Universum zu Füßen gelegt. Und was macht sie? Sie rennt zu ihrem Ex zurück, in der Hoffnung, daß er sich geändert hat. Ich weiß, das Wort Liebe oder lieben sagt sich zu schnell, zu leicht. Aber für mich gab es nur zwei Lieben, meine erste große Liebe und meine große Liebe. Alles andere waren Erfahrungen. Und beide Lieben haben mir den Laufpaß gegeben. Eine nach fünf Jahren eine nach fast fünf Wochen.

Es gibt da ein Lied von M. M. Westernhagen. Dort singt er im Refrain:

"Donna, große Lieben tun immer weh" Es trifft voll und ganz zu. Mittlerweile sieht es so aus, daß ich zwar wieder auf Kontaktanzeigen antworte, aber meine Meßlatte sitzt sehr hoch Die Frau, die Claudia überbieten will, muß verdammt gut sein, damit ich vergessen und wieder Vertrauen aufbauen kann.

Ich weiß nicht, aus welchen Gründen Du auf Kontaktanzeigen geantwortet hast, aber ich möchte Dir noch kurz erzählen, warum ich das tat: Ich bin nicht häßlich, dick oder sonst etwas. Mein Problem ist, daß ich sehr schüchtern bin und meistens denke: "Ach, so gut, wie sie aussieht, hat sie sicher einen festen Freund oder ist verheiratet. Sie will nur ein wenig flirten." Eine Kontaktanzeige, auf die man antwortet und bei der man auserwählt wird, ist wie ein Freilos. Denn man weiß, daß diese Frau Single ist, was enorm erleichternd ist. Und wenn man ihr gefällt und umgekehrt (vom Aussehen und Charakter) hat man schon die halbe Miete. Es hätte in meinem Fall die ganze Miete sein können, wenn sie ihre Vergangenheit nicht eingeholt hätte.

1998-12-22, Michael
 

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