ZW 792 A

"ZW 792 A" ist die Nummer, die auf das Handgelenk dieses 5jährigen Mädchens eingebrannt wurde. Eingebrannt unter Aufsicht von Josef Mengele, einem "Arzt". Ihr Name? Sahrah Seiler. Ihr Verbrechen? Jüdin.

 

Vorbemerkung
Bevor ich auf jene Sahrah Seiler eingehe, die Unsägliches erdulden mußte, möchte ich etwas zu meiner eigenen Position sagen:
Ich bin den letzten Monaten oft gefragt worden, ob sich die Männerseiten aufgrund ihres hohen Bekanntheitsgrades nicht einer Aktion "gegen Rechts" anschließen wollen. Hier möchte ich erklären, warum sich auf meinen Seiten keine Buttons "Gegen ...irgendwas..." befinden. Durch diese Erklärung werde ich einige Leser verlieren und eine Reihe zorniger Leserbriefe erhalten. Gut.

Es gibt einen sehr einfachen Grund für meine Abneigung gegen Medien-Aktionen: Das Thema ist mir zu wichtig. Zu wichtig, um wegen Einschaltquoten oder einem Image auf "einen Zug" zu springen. Zu wichtig, um es Politkern zu überlassen, die nur an Wählerstimmen interessiert sind. Zu wichtig, als daß ich es auf Gewalt-Aktionen von Jugendlichen und Nazi-Webseiten beschränken möchte. Rechte Gesinnung fängt viel früher an. Sie entsteht im Kopf. Und sie ist nicht unbedingt sichtbar.

Rechte Gesinnung ist für mich, wenn man - wie ein Politker namens Kanther - "jüdische Vermächtnisse" heranzieht, um die Herkunft großer Geldmengen zu verschleiern. [1]

Rechte Gesinnung ist für mich, wenn sich zwei CDU-Politiker im Hessischen Landtag intensiv nach den Besitzverhältnissen jüdischer Emigranten aus dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion erkundigen. [2]

Unterstützung rechter Einstellungen ist für mich, wenn man Wahlkampfthemen so führt, daß dumpfe Gefühle gegen Ausländer zu Wählerstimmen beitragen sollen. So geschehen im Falle der letzten Hessen-Landtagswahl (gegen die doppelte Staatsbürgerschaft), NRW-Landtagswahl ("Kinder statt Inder") und Rheinland-Pfalz-Landtagswahl ("Stolz, Deutscher zu sein"). [3]


Und zumindest ein Hinweis auf das Sympathisieren mit rechten Gedankengängen ist es für mich, wenn jemand den Begriff deutsche Leitkultur benutzt. Laut DUDEN - der "deutschesten" aller "deutschen" Buchreihen - ist das Synonym für "leiten" "führen". Und wer sich öffentlich eine deutsche Führerkultur wünscht (und später zu feige ist, um den Ausdruck zurückzunehmen), muß damit leben, daß er auch in dieser Richtung interpretiert wird. [4]

 

[1] (im Kanther-Jargon: "Das war kein Gesetzesbruch [sondern] überzogene Loyalität", Interview Nov. 2000). Mich erinnert dies an die Karikaturen aus den 20er und 30er Jahren, in denen Juden immer als ausgesprochen wohlhabend dargestellt wurden.
[2] So geschehen im Sommer 2000 [Kleine Anfrage der CDU, Drucksache 15/1232]. Die Nachfragen waren derart penetrant, daß es sogar dem eigenen Koalitionspartner zuviel wurde.
[3] Und, liebe Politker, Sie wissen ganz genau, was Sie tun: Natürlich werden Sie vor der Kamera immer behaupten, es würde Ihnen um "sachliche Auseinandersetzungen" gehen - sobald Sie am Wahlkampfstand stehen hören Sie doch selbst, daß nur ein Bruchteil der Wähler diese Auseinandersetzung sucht.
[4] Nein, ich behaupte nicht, daß Merz diesen Bereich wirklich meinte, als er den Ausdruck während einer längeren Beantwortung einer Presseanfrage benutzte. Er kam ihm halt in den Sinn, er klang gut - und das genügt in der Regel für einen Politiker. Der Begriff fiel die ersten Tage ja auch niemandem auf ... Nur, daß natürlich ein Herr Stoiber in der ihm eigenen Art und Weise kurze Zeit später den Bundespräsidenten mit der Bemerkung kritisiert, der Begriff würde sich auch bei einem arabischen Schriftsteller finden und Rau hätte sich erstmal kundig machen sollen, ist natürlich ganz schön unverfroren. Denn 1. kannte Merz mit Sicherheit nicht diesen Schriftsteller und 2. - gelle Herr Stoiber - wir von der @Generation können auch einen Assistenten an eine der Internet-Suchmaschinen setzen und eine beliebige Quelle im Nachhinein ausfindig machen. Bitte, uns dürfen Sie nicht mehr für dumm verkaufen.

Nochmals: Die Grundlage rechter Gedanken beginnt im Kopf. Im Kopf beginnt auch das Vergessen, von dem, was diese Gedanken heraufbeschwört haben. Vergessen dürfen wir aber niemals. Darum möchte ich hier die Biographie jenes Mädchens weitergeben, dessen Bild um die Welt ging ...

   

Der folgende Text ist dem Artikel "Das Mädchen im Käfig" von Ernie Meyer entnommen (DIE WOCHE v. 27. 1. 1995). Aus rechtlichen Gründen darf ich hier leider nur Auszüge bringen. Wer aber an dem umfangreichen vollständigen Artikel interessiert ist, kann mir eine E-Mail schreiben. Ich denke, die Herausgeber der WOCHE werden in diesem Fall etwas Nachsicht mit mir üben. Das Bild stammt übrigens aus Filmmaterial, das bis 1960 von den Engländern unter Verschluß gehalten wurde. Inzwischen ist das Material zugänglich (Filmtitel "Mein Kampf"). Wer jene Dokumentation einmal gesehen hat, wird nie wieder Worte wie die oben erwähnten in den Mund nehmen. Nie wieder ...

Sarah Susan Seiler lebt heute In Cleveland. Sie wurde als 4jährige - zusammen mit Ihrer Zwillingsschwester - nach Auschwitz depotiert.

"Aber als wir an den Kopf der Schlange kamen, hob jemand ihre Röcke hoch und rief so etwas wie „Zwillinge"! Wir wurden zu einem Mann gebracht, der Dr. Josef Mengele gewesen sein muß. Er schien erfreut und lächelte. Er winkte mit seinen Armen und sagte etwas, das ich nicht verstand.

Später sah ich Mengele oft. Wenn ich ihn heute identifizieren müßte, würde ich auf ihn zugehen, ihm in die Augen sehen und ihn auffordern zu lächeln. Er hatte viele Helfer, die mit uns umgingen. Sie blieben gesichtslos, aber ihn würde ich erkennen, unabhängig von jeder kosmetischen Operation, die er vielleicht vorgenommen hat. ...

 

Hanna und ich wurden in einen hölzernen Käfig gesperrt, der ungefähr einen bis anderthalb Quadratmeter groß war, und man gab uns eine schrecklich schmeckende Suppe und Brot. Wir waren in diesem Käfig in einer Ecke des Barackenblocks vollständig isoliert, und ich hatte keine Ahnung von irgendwelchen anderen Kindern.

Die Experimente an unseren Körpern begannen sehr bald. Wir wurden in ein fleckenlos weißes Laboratorium gebracht und auf einen Tisch gesetzt. Nachdem wir eine Injektion in das Rückgrat erhalten hatten, wurden wir wieder in unseren Käfig zurückgebracht. Das geschah alle paar Tage über eine gewisse Zeit hinweg. Die Schmerzen, der einen Injektion dauerten bis zur nächsten.

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