Dies ist nur eine Rohfassung des Artikels.
Bitte starten Sie auf der Hauptseite.

 

 

"Java" - eine heiße Tasse verändert das Internet

Das WorldWideWeb wird interaktiv

 

Wenn 1995 das große "N" von Netscape das Symbol für das WorldWideWeb schlechthin war, so könnte dessen Stelle 1996 eine dampfende Kaffeetasse einnehmen. Das Stichwort "Java" verspricht eine neue Dimension der Möglichkeiten im Netz der Netze - der Netsurfer soll künftig allenthalben auf ineraktive Web-Seiten treffen. So wünscht es sich jedenfalls die kalifornische Firma Sun Microsystems, die diese Programmiersprache entwickelt hat.

 

Jakob Nielsen von SunSoft spricht vom "Ende des Web-Surfing". War 1993 noch jede neue Web-Seite ein Ergeignis und sammelte man 1994 Link auf Link, so brach man 1995 - nach Nielsens Meinung - bereits unter der Flut unnützer Informationen zusammen. Der Internet-Nutzer der Zukunft will Qualität statt Quantität und er will mehr, als nur durch bunte Bildchen angereicherte Texte. Java will den Weg für eine solche Zukunft ebnen.

 

 

Das Problem

 

Das Hauptproblem aller Internet-Programme und Internet-Protokolle bilden die unterschiedlichen Plattformen, auf denen sie funktionieren müssen. Das Netz selbst war bis vor wenigen Jahren relativ fest in der UNIX-Welt verankert und auch mit Windows oder Macintosh sind die vielfältigen Betriebssysteme noch lange nicht ausgeschöpft, über die der Anwender auf das Internet zugreift. Das WorldWideWeb ist das beste Beispiel dafür, daß man sich auf bestimmte Minimalstandards, wie die HTML-Sprache der Web-Seiten, festlegt. Bilder dürfen z. B. nur in einigen wenigen Formaten, wie etwa GIF oder JEPG, integriert sein. Will ein Anbieter ein neues Bildformat einführen, das z. B. kompaktere Dateien oder höhere Auflösungen erzeugt, so können seine Grafiken nicht direkt betrachtet werden, weil der jeweilige Net-Browser nicht darauf eingestellt ist. Es bleibt also nur der umständliche Weg über Zusatzprogramme, die in verschiedenen Betriebssystem-Versionen auf irgendeinem FTP-Server vorhanden sind. Nach dem entsprechenden Download können diese dann mit viel Glück als Ergänzungsapplikationen in den eigenen Browser eingebunden werden, meist aber müssen sie getrennt gestartet werden usw. Dies sind sowohl für den Anbieter als auch für den Anwender zeitraubende Prozeduren. Gerade im Privatbereich scheuen viele Net-Surfer die damit verbundenen Mühen.

 

 

 

 

Die Lösung

 

Ursprünglich war Java als Programmiersprache für Kleinstcomputer wie Apples Newton gedacht. Da die "Bleistift-PCs" am Markt nicht akzeptiert wurden, geriet das expandierende Internet in den Blickwinkel von Sun. Java wurde nun völlig auf die Bedürfnisses dieses Netzes zugeschnitten. Das Problem mit den unterschiedlichen Betriebssystemen wird geschickt umgangen, indem erst gar nicht ein CPU-abhängiger Maschinencode zur Übertragung gelangt. Vielmehr generiert Java eine Art Vorstufe, den sogenannten "Bytecode", der erst beim eigentlichen Anwender in den jeweils gültigen Maschinencode übersetzt wird; Sun nennt das "architektur-neutral". Es spielt also keine Rolle mehr, ob der Endanwender vor einem IBM PC oder dem PowerPC von Apple sitzt. Obwohl es sich also um ein Interpreterprinzip handelt (wie es z. B. im ehemaligen UCSD-Pascal üblich war), kann die Übersetzung des Bytecodes "on the fly" geschehen, also so schnell, daß der Empfänger kaum etwas von diesem Prozeß bemerkt. Die objektorientierte Struktur Javas ähnelt dabei dem C++-Dialekt. Neben inhaltlichen Pluspunkten, die die Anlehnung an C++ bringt, ist besonders die weite Verbreitung dieser Programmiersprache vorteilhaft. So finden sich quasi "aus dem Stand" heraus unzählige Entwickler, die schnell mit Java zurechtkommen werden. Für diese sind dann zwar noch eine Reihe weiterer technischer Details von Interesse - preemptives Multithreading, Garbage Collection, Methoden-Schablonen, Heapverwaltung usw. - über die Sun auch bereitwillig informiert. Der Anwender allerdings möchte hauptsächlich wissen, was er denn nun im Online-Alltag von Java hat.

 

 

 

 

Die Praxis

 

Zwar steht bei Sun ein eigener Java-Browser - HotJava - zum Download bereit, für die Verbreitung des Konzepts ist jedoch viel entscheidender, daß der Marktführer unter den Web-Browsern - Netscape - die Möglichkeiten von Java in seine neuen Versionen integriert hat.

 

Damit ist praktisch die Basis für eine permanente Erweiterung des WWW-Betrachters gegeben. Sun sieht die gängigen Browser an eine starre Stuktur gebunden, während der eigene gewissermaßen als "Koordinator von beliebig vielen Einzelteilen" anzusehen sei. Wie schon in dem Bildbeispiel angedeutet, können Browser dank Java "lernfähig" werden. Der Internet-Anbieter integriert z. B. auf seiner Web-Startseite ein geeignetes Java-Applet, das beim Empfänger sofort in ein Programm oder eine Ergänzung übersetzt wird. Fast nahtlos kann mit dem Betrachten der weiteren Seiten fortgefahren werden, der Browser hat "gelernt", das neue Bildformat zu verstehen. Ähnlich könnte mit - netscapespezifischen - Neuerungen wie Hintergrundbilder oder Tabellen verfahren werden, die augenblicklich erst in einem langsamen Prozeß von anderen Web-Viewern übernommen werden. Auch wenn hier noch andere Gründe eine Rolle spielen - HTML-Konventionen, Marktbeobachtung usw. - könnte ein solches Verfahren mit Java auf einen Bruchteil der bisher notwendigen Zeit verkürzt werden.

 

 

 

 

 

Dieses Prinzip kann grundsätzlich auf jedes Softwareprodukt übertragen werden, also auch etwa auf Neuerscheinungen, die nichts mit dem Internet zu tun haben. Das Anklicken der "präparierten" Web-Seiten führt zu einem Update oder Bug-Fixing, dessen Funktionieren wiederum direkt dem Entwickler mitgeteilt werden kann, was zu einer drastischen Verkürzung der Produktionszyklen führen kann. Oft wird dieser interaktive Aspekt von Java übersehen. Kann eine gängige Web-Seite z. B. nur das Modell einer Molekül-Struktur als Bild zeigen, so ist mit Java eine dreidimensionale Darstellung des Drahtgitters möglich, die vom Anwender bewegt und beeinflußt werden kann. Überhaupt werden Animationen, das zeigen die bereits im Netz vorhandenen Beispiele, sehr flüssig und kommen mit geringen Ladezeiten aus. Kein Wunder, daß "Die Welt" von einem "virtuellen Tanzkurs" spricht, der dank Java möglich sei.

 

Wer sich Java-Applikationen selbst einmal "in Aktion" ansehen möchte, der findet - neben den Sun-eigenen Demoseiten - insbesondere unter den Adressen "htttp://www.gamelan.com" und "http://java.pages.de" eine Vielzahl von ausgezeichneten Links, die den wesentlichen Zusatz haben, ob es sich jeweils um Alpha- oder Beta-Applets handelt. Denn nur letztere können mit Netscape korrekt dargestellt werden.

 

Wenn nun ausführbare Programme einfach per Mausklick auf dem heimischen Rechner installiert werden, so stellt sich natürlich auch die Frage nach der (Viren-)Sicherheit. Dieser Punkt findet bei Java besondere Beachtung, da die Sprache für das Internet entwickelt wurde und die mit dem Netz verbundenen Risiken bekannt sind. Bestimmte Systemzugriffe sind daher von vorneherein unterbunden bzw. erst nach Rückfrage möglich. Eine Reihe von zusätzlichen Maßnahmen, z. B. eine Authentizitätsprüfung ähnlich wie bei dem Verschlüsselungsprogramm PGP, soll den sicheren Umgang mit Java garantieren.

 

 

 

 

 

Die Konsequenzen

 

Natürlich erinnern diese Möglichkeiten auch an das Konzept des Internet-PCs, der wohl noch eine ganze Weile - trotz Java - Zukunftsmusik bleiben dürfte. Hier ist an eine Art kostengüngstige PC-Station gedacht, die eher als Terminal funktioniert, mit wenig eigener Software auskommt auf auf benötigte Programme direkt via Internet zugreift. Ob dieser Weg wirklich jemals von Computerindustrie und Anwendern eingeschlagen wird, sei dahingestellt. Jedoch könnte Java, oder dessen Nachfolgeversionen, durchaus eine wichtige Rolle bei einer solchen Entwicklung spielen.

 

Zeitlich näher liegt die Bedeutung von Java, die es im Multimediamarkt der nächsten Jahre haben wird. Beobachtet man das Verbraucherverhalten, so ist noch nicht ausgemacht, ob das Rennen der "interaktiven Generalanwendung" vom Fernsehen oder vom Computer gewonnen wird. Mit Argusaugen beobachten daher die Konkurrenten jeden Schritt, der dem anderen in diesem Bereich Vorteile verschafft. Java ist derart genial einfach konzipiert, daß sogar eine Übertragung auf TV-Settop-Boxen denkbar ist.

 

Herbert Hertramph